Der freie Author und Kurator Marcus Boxler führt ein Gespräch mit der Galeriekünstlerin Margareta Hesse über ihre künstlerische Entwicklung, die Bedeutung von Materialität und Räumen sowie ihre Arbeit mit Laser.
Marcus Boxler: Margareta, Materialität und Räume nehmen zentrale Rollen in deiner künstlerischen Arbeit ein. Du selbst arbeitest viel in dunklen Räumen. Ist die Dunkelheit an sich nicht auch dramatisch?
Margareta Hesse: Ja, Dunkelheit ist eine spannende Situation. Wir sind auf das Sehen konzentrierte Wesen. In der Dunkelheit erfahren wir einen "Verunsicherungseffekt", tasten nach Anhaltspunkten und erhöhen unsere Vorsicht. Wir fangen an, uns mit anderen Sinnen zu orientieren. Gerade für meine Laser-Installationen benötige ich absolute Dunkelheit.
Marcus Boxler: Und die Materialität?
Margareta Hesse: Ist in Bezug auf die Laser grundsätzlich verschieden von anderen Lichtmedien: LEDs, Neon, Halogen. In der Dunkelheit haben meine Laser eine enorm dringliche Präsenz. Sobald du sie ausschaltest, ist da nichts! Der Raum ist leer. Die Lichtgebilde sind plötzlich verschwunden, obwohl sie eingeschaltet in der Dunkelheit eine konzentrierte Materialität aufweisen. Ich würde ausschließlich mit Laserlicht arbeiten.
Marcus Boxler: Warum würde, warum im Konjunktiv?
Margareta Hesse: Wer weiß, was noch alles erfunden wird? Ich bin da mittlerweile offener geworden.
Marcus Boxler: Stimmt, angefangen hast du mit Materialien wie Stahl und Leinwand.
Margareta Hesse: Irgendwann fragte mich mein damaliger Galerist, ob ich mir nicht vorstellen könnte, mit Kunststoff zu arbeiten. Vehement habe ich das verneint damals! Und etwa anderthalb Jahre später habe ich dann das Polyester für mich entdeckt.
Einblick in das Atelier von Margareta Hesse in Berlin
Marcus Boxler: Gehen wir nochmal einen Schritt zurück. Begonnen hast du mit hyperrealistischer Malerei, mit surrealistischer Kombinatorik. Wie verlief dein Weg weiter?
Margareta Hesse: Das Technische, das Hyperreale und Präzise - hat mich irgendwann nicht mehr interessiert. Von der Malerei bin ich erstmals in eine ganz neue Materialwelt eingetaucht: auf der einen Seite habe ich aggressive Materialien wie Nägel und Stahlbesen verwendet, auf der anderen Seite verletzliche Stoffe wie Verbandsmull, Federn, Fell und andere organische Materialien. Und daraus große, skulpturale Gebilde, die "Schutzräume und Fallen", gebaut
Marcus Boxler: Du hast dich jedoch schnell wieder von diesen, wie du sie nennst, "assoziationsträchtigen" Materialien verabschiedet. Du bist zu einer Form- und Materialreduktion gelangt und zur Leinwand als plastischem Material - quasi als Haut für die Objekte - zurückgekehrt und irgendwann zu den Polyesterplatten übergegangen. Siehst du den Verlauf rückblickend als logische Folge?
Margareta Hesse: Interessanterweise habe ich erst kürzlich eine Retrospektive in Berlin zeigen können, Werke aus den letzten 30 Jahren. Es war neu für mich, zu sehen, dass die Werke von vor 30 Jahren mit den jüngeren Arbeiten neue Synergien entwickeln. Große Objekte, mit kleinen Formaten und raumgreifenden Installationen und malerische Serien aus unterschiedlichen Phasen - alles hat miteinander funktioniert.
Marcus Boxler: Von der hyperrealistischen Malerei bist du über das Objekthafte bis zur Abstraktion gewandert. Deshalb vielleicht der Verlauf: von der Fläche, über das Objekt, in den Raum. Würdest du dem zustimmen?
Margareta Hesse: Ein kleines bisschen schon. In der hyperrealistischen Malerei habe ich in Schichten gearbeitet und so eine illusionistische Tiefe erzeugt. Am meisten interessierten mich Transparenz, Tiefe, Kontraste und Gegensätze bis zur Widersprüchlichkeit. Die Begeisterung für Tiefe und Schichten findest du auch in den Polyesterarbeiten, meinen sogenannten "Transluziden". Bei diesen Arbeiten war mir besonders wichtig, dass sie mit den Glasfaserstrukturen im Kunstharz eine eigene Materialität aufweisen - Eben nicht wie Acrylglas optisch verschwinden, sondern Unschärfe und eine zusätzliche Verräumlichung erzeugen.
Marcus Boxler: Ein Vertrauen in die Ausdrucksstärke des Materials?
Margareta Hesse: Material war für mich in der Tat immer eine Inspirationsquelle. Und damit möchte ich zu deiner vorhergehenden Frage zurückkehren. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Arbeit mit Lasern komplett von meiner Malerei. Die Herangehensweise ist fast gegensätzlich. Gegenüber dem penibel planbaren Vorgehen bei der Malerei ist die Arbeit mit den Lasern ein immer neuer Umgang mit dem Raum.
Marcus Boxler: Liegt der Reiz darin, immer wieder überrascht zu werden als Künstlerin?
Margareta Hesse: Dazu habe ich eine lustige Geschichte. Als man mir erstmals Lasergeräte vorgeführt hat in Stuttgart, sollte ich in das Laserlicht greifen. Ich befürchtete, der Laserstrahl würde in meiner Hand brennen oder zumindest pieksen. Aber nichts! Es fühlte sich komplett non-existent an. Und diese Ambivalenz hat mich begeistert. Man assoziiert ja mancherlei Dinge mit Lasern: Stahl wird damit geschnitten, es wird damit operiert. Es ist ein Werkzeug.
Marcus Boxler: Es ist gleichzeitig eine Gefahr - kein Laserlicht ins Auge! - und wird zur Operation eingesetzt, um das Augenlicht wiederherzustellen.
Margareta Hesse: Dasselbe gilt für die Farbe Rot. Sie lässt sich zu mehreren Extremen assoziieren: Hitze, Wut, Hass, Blut aber auch Liebe, Emotion, Erotik.
Und nicht zuletzt: Der Laser gebärdet sich körperhaft, ist aber ein Nichts in der Hand. Das finde ich faszinierend.
Marcus Boxler: Bevor wir mit Ambivalenz enden, noch eine letzte Frage: Gibt es einen Raum, den du gerne noch bespielen würdest?
Margareta Hesse: Ich habe schon mehrfach darüber nachgedacht, dass ich gerne eine Kirche bespielen würde. Licht und Erleuchtung, das passt ja ohnehin gut zueinander. Nur den Sound der Installationen würde ich dann gerne an einen dunklen Orgelton koppeln. Solch eine Installation würde ich gerne einmal realisieren.
Marcus Boxler ist freier Kurator, Projektleiter und Kunstjournalist. Er studierte Medien-, Film- und Theaterwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum und an der Universität Wien. Im Projektrahmen arbeitete er mit dem Zentrum für Internationale Lichtkunst, dem Bundesverband für Freie Darstellende Künste, den RuhrKunstMuseen und dem Skulpturenpark Schlossgut Schwante. Als Kunstjournalist schreibt er unter anderem für das Monopol Magazin. Zuletzt ist er als Gründer und Geschäftsführer der Stiftung Neue Kunst Berlin-Brandenburg in Erscheinung getreten.
Marcus Boxler is a freelance curator, project manager and art journalist. He studied media, film and theatre studies at the Ruhr University Bochum and at the University of Vienna.
He worked on projects with the Centre for International Light Art, the Federal Association for the Liberal Performing Arts, the RuhrKunstMuseen and the Schlossgut Schwante Sculpture Park. As an art journalist, he writes for Monopol magazine, among others. Most recently, he has founded and is leading the Stiftung Neue Kunst Berlin-Brandenburg.
Ausstellungsansicht Margareta Hesse — Lichtschichten und Phasen
01.02.24 - 16.03.24 | Galerie Watson, Hamburg | Photo: Pauline Wegner
Mehr Informationen zur Ausstellung